Auslandspraktikum einer Lehrerin für Fachpraxis
Job Shadowing in der Produktionsschule Graz
Ich hatte vom 2. bis 6. Mai 2022 die Gelegenheit, im Rahmen des Erasmus+-Projekts eine ausländische Bildungseinrichtung zu besuchen. Da ich Praxislehrerin bin, lag der Fokus meiner Wahl auf einer Schule, die vorrangig Ausbildungsperspektiven schafft und in der die Praxis im Vordergrund steht. Die Produktionsschule in Graz, Hauptstadt der Steiermark/Österreich, die mit dem Verein zur Förderung von Arbeit und Beschäftigung (FAB) eng verbunden ist, entsprach meinen Vorstellungen.
Wichtig für mich die Frage „Wie werden Jugendliche fit für den Arbeitsmarkt gemacht?“ Das Modell der Produktionsschule ist in ganz Europa verbreitet und unterstützt benachteiligte Jugendliche von 15 bis 25 Jahren, die ihre reguläre Schulzeit beendet haben, arbeitslos sind oder arbeitsuchend. Oft die Ausbildung abgebrochen haben, sich neu orientieren wollen. Sie sind beim AMS (Arbeits-Markt-Service) gemeldet und werden von dort an die Schulen vermittelt. Dort bleiben sie dann maximal zwölf Monate. In Gruppen bis zu acht Teilnehmerinnen und Teilnehmern lernen sie an realen Aufträgen aus der Wirtschaft Produktionsprozesse kennen und im Team zu arbeiten, den Wert ihrer Arbeit zu schätzen. Stärken und Schwächen werden ausgelotet, um danach in eine Ausbildung oder ins Berufsleben zu starten. Praktika in Betrieben laufen dazu parallel. Sozialpädagoginnen helfen bei der Suche.
Im FAB Graz werden fünf praktische Fachbereiche angeboten: Metall, Holz, kreatives Gestalten, Büro/Handel und Gastronomie. Jede/-r Teilnehmer/-in absolviert nur einen Lehrgang seiner/ihrer Wahl. Zusätzlich gibt es noch Pflichtbereiche in der Theorie: Bewerbungstraining u. a. EDV-Basis-Schulungen, Mathematik, Deutsch als Fremdsprache.
Es gibt außerdem eine monatliche Vergütung (auch als Sanktion verwendbar), Berater vom AMS unterstützen bei der Suche, Netzwerk von Hilfssystemen u. a. für Migranten (Kontakte zu wichtigen Organisationen…).
Nach meiner Anreise am Sonntag konnte ich pünktlich am Montag um 7.30 Uhr starten. Das neue Gebäude mit seinen Büros und Werkstätten sind recht überschaubar. Der Empfang der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war herzlich und neugierig. Ich gehörte schnell dazu und fühlte mich aufgenommen und angekommen.
Nach der Begrüßung und einem Rundgang startete ich gleich ins praktische Abenteuer. Die Zeit war knapp. Fünf Tage sind schnell vorbei.
Ausgerüstet mit der entsprechenden Bekleidung und Lust auf Neues legte ich los. Alle! Bereiche wollte ich kennenlernen, so mein Plan, einen anderen gab es nicht. Vier Bereiche sind es geworden, Holz leider nicht, da der Trainer erkrankt war. Dabei erhielt ich stets viel Unterstützung aller Kollegen. Sehr beeindruckt hat mich ihre Geduld, Freundlichkeit und Unkompliziertheit.
Ich wollte auch unbedingt in der großen, hochmodernen Lehrküche arbeiten. Die Küche ist öffentlich für die Stadt Graz und arbeitet auch im Catering für andere Nutzer.
Allein das Ambiente ist sehenswert und wunderschön gestaltet. Hier arbeitet und isst man gern. Meine akribische Vorbereitung dafür reichte vom Super-Küchenoutfit, über eine große Motivation und eine Portion Aufgeregtheit. Auch als Metallerin war ich aktiv in der Küche dabei. Hantierte mit Schüsseln und Töpfen und war für ein Tag Azubi. Ich habe alles gegeben und auch viel gegessen.
Auch die von Freundlichkeit und Vertrauen geprägte Atmosphäre bringt mich heute noch ins Schwärmen. Mein Arrangement zwischen Muffins backen, Schnitzel braten, Essen ausgeben und auch für das Putzen, war groß. Ich gehörte dazu, ein tolles Gefühl. Die Hightech-Geschirrspülmaschinen hatten es mir besonders angetan. Der Tag war schön!
Natürlich war die Metallwerkstatt mein spezieller Ort. Klein, eng, aber fein. Hier konnte ich auch praktisch mitarbeiten, hatte viel Spaß. Das Lernen ist nie vorbei, auch nicht im Alter. Tolle Produkte entstanden dort. Die Aufträge für die Teilnehmer waren sehr vielseitig und anspruchsvoll. Ein kleiner „Showroom“ zeigt die vielseitigen Arbeiten, die zum Verkauf stehen.
Auch beim künstlerischen Gestalten, konnte ich mal rein schauen…mein Talent hält sich da aber in Grenzen, interessant war es allemal.
In der Außenstelle des FAB, in Leipnitz, einem kleinen Städtchen nahe der slowenischen Grenze, befindet sich u. a. eine Fahrradwerkstatt, eine große Holzwerkstatt und eine kleine Küche, die nur für den Eigenbedarf kocht. Viele schöne Eindrücke und auch hier wieder nur freundliche, aufgeschlossene Mitarbeiter und Teilnehmer.
Hospitationen in Mathe und EDV waren auch von mir geplant. Dieser Unterricht wurden von Honorarkräften vermittelt, jeweils zwei Stunden pro Woche.
Mein Fazit: Am Ende meiner schulischen Tätigkeit war es für mich eine tolle Erfahrung, über den „Tellerrand“ zu schauen und immer noch dazuzulernen.
Zu sehen, wie die Steiermark und deren Einrichtungen sich intensiv bemühen, die jungen Leute in Ausbildung oder in Arbeit zu bringen, war spannend, aber auch nachdenklich. Einiges könnte sicherlich auch für die August-Sander-Schule, für unseren Arbeitsalltag, überlegenswert sein…
Ich hoffe, dass auch ich dazu beitragen konnte, den Kollegen vor Ort Neues, Interessantes und Nachdenkliches aus meiner Arbeit mitzugeben. Es war ein guter Austausch und es gab neue Betrachtungsweisen. Wir haben festgestellt, dass wir gar nicht so weit auseinander sind, dass es gute Ansatzpunkte gibt, aber auch viele, offene Fragen zum Diskutieren.
(Ist Beschäftigung = Arbeit ?, oder ist Arbeit = Beschäftigung? )
Es gibt immer etwas, das bleibt!
In diesem Sinn, herzlichen Dank allen Kolleginnen und Kollegen in Graz, die auch Freunde geworden sind. Ihr bleibt mir in sehr guter Erinnerung. Dank auch an die Schulleitung der August-Sander-Schule in Berlin, an meine Kollegen, die es mir noch ermöglicht haben, das FAB und die Multi-Kulti-lebendige Stadt Graz kennenzulernen.
Thekla Lewandowski
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© 2022 T. Lewandowski, August-Sander-Schule